Zwischenkundgebung vor dem Rathaus

Zum CSD Bremen 2022 stellen wir möglichst viele Redebeiträge der Kundgebung online, damit sie auch durchgelesen werden können und langfristig zur öffentlichen Diskussion beitragen.

Hier folgt der Redebeitrag des Rat&Tat-Zentrums zur Zwischenkundgebung vor dem Rathaus.


Liebe Teilnehmende,

an dieser Stelle halten wir inne, blicken auf unser Rathaus und freuen uns über das große Regenbogenbanner als starkes Zeichen der Solidarität mit der queeren Bevölkerung dieser Stadt.

Danke Bremen!

Wir wissen aber auch, dass nicht weit von hier am Weserufer jemand in seiner Kirche sitzt und vor Wut schäumt, dass diese Stadt ein so starkes Signal der Unterstützung an die „Verbrecher vom CSD“ sendet.

Aufgrund dieser und weiterer homo- und trans*feindlicher Aussagen verurteilte das Amtsgericht Bremen Pastor Olaf Latzel im November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in einer Gesamthöhe von 8100 Euro. Dagegen legte er Berufung ein. Das Verfahren wurde im Mai dieses Jahres vor dem Landgericht neu verhandelt.

Am 9. Mai, dem ersten Verhandlungstag, haben evangelikale Christen vor dem Landgericht wieder massiv Stimmung gegen LSBTIQ* gemacht. Wir haben dem am 13. und 16. Mai eine bunte Demo entgegengesetzt.

Die Richter am Landgericht waren der Meinung, dass eine theologische Diskussion zur Klärung der Vorwürfe führen würde. So endete das Berufungsverfahren erwartungsgemäß mit einem Freispruch. Umso wichtiger war es uns, auf dem Platz vor dem Gerichtsgebäude Flagge zu zeigen und deutlich zu machen, dass die Aussagen und Positionen Pastor Latzels menschenverachtend sind und nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

Das Urteil ist aus unserer Sicht ein Skandal. Wieder einmal wurde die Religionsfreiheit über den Schutz der Menschenwürde gestellt. Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft Revision beantragt hat.

Wir queeren Menschen fühlen uns durch die hasserfüllten Aussagen dieses Predigers zutiefst verletzt und auch konkret bedroht, wenn er von „todeswürdig“ spricht und damit seine fanatischen Anhänger aufstachelt. Seine Entschuldigungen und Erklärungsversuche sind nichts weiter als Schutzbehauptungen, um seiner gerechten Strafe zu entgehen.

Wir fordern die Ergänzung von Art. 3 GG durch das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Identität!

Bunt, kreativ und sichtbar kämpfen wir weiter für eine menschliche und vielfältige Welt ohne Hass!

Vielen Dank!

Reiner Neumann